„A VADE MECUM – ON OFFICIAL INVESTIGATION IN ORGANIC PRODUCTS“
- Einleitung
Die Frage der Spuren von nicht zugelassenen Stoffen in ökologischen Erzeugnissen, vor allem von Pestiziden, war eines der Hauptthemen während der Entwicklung der neuen EU-Öko-Verordnung. Wenn solche Stoffe gefunden werden, muss eine offizielle Untersuchung durchgeführt werden, um die Quelle und die Ursache der Kontamination zu identifizieren. Ein Erzeugnis kann nur dann als ökologisch verkauft werden, wenn das Produkt der EU-Öko-Verordnung entspricht und kein Verdacht auf einen Verstoß gegen die Prinzipien besteht. Kann ein Verdacht auf einen Verstoß nicht ausgeräumt werden, dürfen die betreffenden Erzeugnisse nicht als ökologisch in den Verkehr gebracht werden.
Das Thema hat zahlreiche Reaktionen und Diskussionen ausgelöst. Die Bio-Verbraucher müssen vor Betrug geschützt werden. Andererseits sind Pestizide aus der konventionellen Landwirtschaft allgegenwärtig. Sind diese in ökologisch produzierten Erzeugnissen nachweisbar, ist es häufig schwierig, ihre Ursache zu bestimmen. Systematische Untersuchungen können aufwendig, teuer und zeitaufwendig sein. Daher gilt es hier ein effizientes, übereinstimmendes Untersuchungsverfahren anzuwenden, dessen Ergebnisse durch verschiedene Strukturen anerkannt werden können.
Um wirksame und effiziente amtliche Untersuchungen zu unterstützen, wurde ein „Vademecum über amtliche Untersuchungen bei ökologischen Erzeugnissen“ veröffentlicht, das Leitlinien für Untersuchungsmethoden und -techniken enthält.
Diese Leitlinie wurde durch ein international zusammengesetztes Autorenteam verfasst, unter der Leitung von Nicolas Verlet, bestehend aus Fachleuten aus verschiedenen Disziplinen wie Agrarwissenschaft, Lebensmittelsicherheit, Chemie und Ökologie, mit Expertise in der ökologischen Landwirtschaft, Rückstandsanalytik und gesetzlichen Anforderungen. Die Mitglieder repräsentieren darüber hinaus unterschiedliche Organisationen (Vertreter von Kontrollstellen, Unternehmen, Behörden) und Regionen Europas.
- Ziel des Papiers
Das Papier dient als Leitfaden für die Untersuchung von Pflanzenschutzmittel-Rückständen in ökologischen Produkten gemäß den Artikeln 28 und 29 der EU-Verordnung 2018/848. Es richtet sich an Behörden, Kontrollstellen und Labore aber auch an Unternehmen, um sicherzustellen, dass solche Rückstände in ökologischen Produkten ordnungsgemäß untersucht und bewertet werden. Es zeigt die Verantwortlichkeiten der beteiligten Akteure auf. Die klare Zuordnung von Aufgaben an Unternehmen, Kontrollstellen, Behörden und Labore ist ein zentraler Bestandteil des Leitfadens. Ziel ist es, eine einheitliche Vorgehensweise zu fördern, die den gesetzlichen Anforderungen der EU-Verordnung 2018/848 und verwandten Vorschriften entspricht.
- Inhalt im Detail
Der Leitfaden bietet in sechs Kapiteln einen umfassenden Überblick über Methoden, Techniken und Verfahren zur Durchführung von Rückstandsuntersuchungen. Er dient als praxisorientiertes Nachschlagewerk und erläutert verschiedene Untersuchungsmethoden, relevante Analyseinstrumente sowie wichtige Hintergrundinformationen, die eine fundierte Entscheidungsfindung ermöglichen.
Ein wichtiger Bestandteil ist die Übersicht der am häufigsten analysierten Pflanzenschutzmitteln in Produkten (CHAPTER 1: THE MOST COMMON CONTAMINANTS FOUND IN FOOD AND ORGANIC PRODUCTS), insbesondere in Bio-Produkten. Hierbei werden die spezifischen Eigenschaften der Substanzen detailliert beschrieben, um ihre Bedeutung für Rückstandsuntersuchungen besser zu verstehen. Zudem wird auf die Herausforderungen bei der Identifizierung und Bewertung von Multiple Source-Substanzen eingegangen, da diese aus unterschiedlichen Quellen stammen und analytisch sowie in der Interpretation der Befunde besonders anspruchsvoll sind.
Das Kapitel Analytische Methoden (CHAPTER 2: LABORATORY ANALYSIS: THE MAIN TOOL FOR DETECTING OF CONTAMINATION) gibt einen Überblick über analytische Verfahren und deren Bedeutung für Rückstandsanalysen. Es werden Standardverfahren wie QuEChERS und QuPPe erläutert, die Anpassung der Labormethoden an spezifische Anforderungen sowie die Bedeutung von Grenzwerten und Validierungsprozessen. Auf die Relevanz von repräsentativen Mustern und Probennahme wird eingegangen sowie auf konkrete Fragen wie zum Beispiel:
- Welche Nachweisgrenzen und Berichtsschwellen gelten für Rückstände?
- Wie werden die Validität und Zuverlässigkeit der Laboranalysen sichergestellt?
- Wie sind Labore für die Anwendung der Methoden akkreditiert?
Abschnitt Rückstandsuntersuchungen (CHAPTER 3: POTENTIAL SOURCES, CONTAMINATION PATHWAYS AND CAUSES OF CONTAMINATION) geht auf die systematische Klassifizierung von Rückstandsfällen und die Definition von „Quelle“ und „Ursache“ ein. Es werden fünf Hauptquellen (Verwendung, Vermischung, Kreuzkontamination, Kontamination durch Umwelteinflüsse, natürliches Vorkommen) und potenzielle Ursachen (bewusst, nicht geeignete Vorbeugemaßnahmen, vernachlässigte Vorbeugemaßnahmen, Unwissenheit, externe Faktoren) vorgestellt. Auf Aspekte wie Vermischung, Kreuzkontamination, Umwelteinflüsse, natürliche Präsenz und Verarbeitung wird näher eingegangen. Daneben wird der Unterschied zwischen direkten Ursachen wie bewusster Anwendung und indirekten Ursachen wie unzureichenden Vorsichtsmaßnahmen thematisiert.
Die Werkzeugkiste für Untersuchungstechniken und -methoden (CHAPTER 4: THE TOOLBOX FOR INVESTIGATION METHODS AND TECHNIQUES) stellt einen umfangreichen „Instrumentenkasten“ für die Durchführung von Rückstandsuntersuchungen vor und bietet eine praxisorientierte Auswahl relevanter Methoden und Instrumente. Zu den zentralen Instrumenten gehören Probenahme- und Analysemethoden, die eine präzise Untersuchung von Rückständen ermöglichen. Ergänzend wird auf produktspezifische Eigenschaften eingegangen, die bei der Bewertung von Rückständen eine Rolle spielen. Darüber hinaus werden Dokumentationsprüfungen, Vor-Ort-Inspektionen, Interviews und Befragungen als entscheidende Werkzeuge zur Ermittlung der Ursachen vorgestellt.
Ein weiteres zentrales Untersuchungsinstrument ist die Rückverfolgbarkeitsprüfung, die beschreibt, welche Daten und Dokumente analysiert werden sollten, um Lieferkettenrisiken und mögliche Kontaminationsquellen zu identifizieren. Zudem wird der risikobasierte Ansatz erläutert.
Alle vorgestellten Methoden werden mit ausführlichen Hintergrundinformationen ergänzt, um ihre Anwendung in der Praxis zu erleichtern. Zusätzlich bietet eine Übersicht über die Websites verschiedener Länder eine wertvolle Informationsquelle zu den dort zugelassenen Pflanzenschutzmitteln in der konventionellen Produktion.
Das Kapitel „Ein systematischer Ansatz für offizielle Untersuchungen“ (CHAPTER 5: A SYSTEMATIC APPROACH FOR OFFICIAL INVESTIGATION) bietet Kontrollstellen und Behörden eine strukturierte, risikobasierte Methodik zur Durchführung offizieller Untersuchungen. Im Fokus steht die Identifikation der Quelle und Ursache von Kontaminationen. Ein spezielles Risiko-Modell unterstützt dabei, „fundierte Informationen“ gezielt zu erfassen und zu bewerten um diese von „nicht fundierten Informationen“ zur trennen. Zudem wird eine risikobasierte Beurteilung durchgeführt, wie und bis zu welcher Tiefe eine Überprüfung erfolgen sollte. Abschließend werden die zentralen Schritte zur Entscheidungsfindung hinsichtlich des Betriebsstatus und der betroffenen Produkte beschrieben, um eine nachvollziehbare und fundierte abschließende Bewertung sicherzustellen. Der Einsatz der vorgestellten Instrumente wird in einen Schritt für Schritt „Workflow“ erläutert.
Im 6. Kapitel werden Ebenen eines Verdachtsfalls anhand von Fallstudien und Abläufen erörtert. Hierzu zählen:
CHAPTER 6.1: INVESTIGATIONS CONDUCTED BY THE OPERATOR – Ein Fokus liegt auf der Durchführung interner Untersuchungen durch Unternehmen. Eine Fallstudie zeigt Schritt für Schritt, wie Unternehmen einen systematischen Untersuchungsprozess etablieren können. Dabei kommen strukturierte Fragenkataloge und weitere Werkzeuge zum Einsatz, um die Untersuchung effizient zu gestalten. Zusätzlich werden Methoden zur Nachweisführung und Dokumentation erläutert, die eine transparente und nachvollziehbare Entscheidungs-findung ermöglichen.
CHAPTER 6.2: INVESTIGATIONS CARRIED OUT BY THE CONTROL BODIES – Für Kontrollstellen wird der Ablauf einer offiziellen Untersuchung detailliert beschrieben und in einem übersichtlichen Schaubild dargestellt. Besondere Herausforderungen wie die methodisch korrekte Probenahme, die vollständige und nachvollziehbare Dokumentation sowie die Durchführung wissenschaftlich anerkannter Analysen werden dabei adressiert.
CHAPTER 6.3: INVESTIGATIONS CONDUCTED BY COMPETENT AUTHORITIES IN MEMBER STATES – geht auf den Umgang mit Untersuchungen auf behördlicher Ebene ein. Es wird ein Vergleich zwischen verschiedenen EU-Mitgliedsländern durchgeführt, ferner wird auf Untersuchungen durch Deutschland/Bayern, Dänemark und Frankreich eingegangen.
CHAPTER 6.4: INFORMATION EXCHANGES, INCLUDING CROSS-BORDER COMMUNICATION (OFIS) – erörtert wie Informationen zu einem Sachverhalt ausgetauscht werden.
Der Abschnitt Strukturierte Entscheidungsfindung bei offiziellen Untersuchungen im Bio-Kontrollsystem (CHAPTER 7: DECISION MAKING) beschreibt den systematischen Entscheidungsprozess im Rahmen offizieller Untersuchungen im Bio-Kontrollsystem. Er liefert eine strukturierte Methodik zur Klärung zentraler Fragestellungen: Wann ist die Einleitung einer Untersuchung erforderlich? Wie kann die Quelle und Ursache einer Kontamination identifiziert werden? Welche Kriterien bestimmen die Einstufung eines betroffenen Produkts und den Zertifizierungsstatus des betroffenen Betriebs?
Werden Abweichungen festgestellt, erfolgt eine Klassifizierung nach ihrer Schwere, um geeignete Maßnahmen abzuleiten. Abhängig von der Risikoanalyse können Sanktionen wie die Aussetzung oder Entziehung der Zertifizierung in Betracht gezogen werden. Die Entscheidungsfindung orientiert sich an nationalen Maßnahmenkatalogen sowie inter-nationalen regulatorischen Vorgaben.
Das Kapitel stellt einen klar definierten Entscheidungsablauf vor und erläutert die Anwendung relevanter Tools zur systematischen Bewertung. Ein praxisnahes Schaubild erleichtert eine risikobasierte Entscheidungsfindung und unterstützt die Kontrollstellen dabei, fundierte Maßnahmen abzuleiten. Ergänzend werden Anforderungen an die Dokumentation und Nachverfolgbarkeit der Entscheidungen dargestellt, um die Transparenz und Nachvollziehbarkeit des gesamten Prozesses sicherzustellen.
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