Das leisten Bio-Unternehmen für eine nachhaltige Zukunft

Das leisten Bio-Unternehmen für eine nachhaltige Zukunft

„Ich mache keine Verträge mit Arschlöchern.“ Gelächter. Nickende Köpfe. Es wird applaudiert. Ronald van Marlen bringt in seinem Vortrag an der AöL Mitgliederversammlung mit vollster Leidenschaft auf den Punkt, was allen Bio-Unternehmern und -unternehmerinnen im Kopf herum schwirrt, was sie beschäftigt und woran sie arbeiten müssen.

Es ist Ende Januar und seit genau 3 Monaten mache ich bei der Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller e.V. (AöL) ein Praktikum, welches sich nun dem Ende neigt. Diesen Text möchte ich nutzen, um das festzuhalten, was ich in letzter Zeit lernen durfte und, um zu zeigen, was Bio-Lebensmittelhersteller*innen für eine nachhaltige Zukunft leisten.

Aktiv gegen Lichtverschmutzung

Bereits in der ersten Woche meines Praktikums hatte ich die Möglichkeit, Max (meinen damals neuen Arbeitskollegen) zu einem Stakeholder-Meeting von Bionade zu begleiten. Das Thema dieser Veranstaltung lautete „Lichtverschmutzung“. An diesem Nachmittag habe ich gelernt, dass Versiegelung von Flächen, intensive Landwirtschaft und auch die unverhältnismäßige Erhellung der Nacht durch künstliches Licht das Insektensterben begründen. Das Bio-Unternehmen Bionade kämpft aktiv dagegen an. Mit ihrem Partner Biodiversity Foundation und deren Intitiative Vielfalt 2030 sollen 2 Ziele erreicht werden: Zum einen sollen 17 Millionen Quadratmeter insektenfreundliche Flächen geschaffen werden und zum anderen ist die Förderung der Umweltbildung ebenfalls ein großes Anliegen. Denn viel zu wenigen Menschen ist bewusst, dass die Lichtverschmutzung Insektenarten aussterben lässt, und dass sie somit weitreichende Konsequenzen für ganze Ökosysteme nach sich zieht. Annette Krop-Benesch, Chronobiologin und Wissenschaftskommunikatorin war eine der Referenten und hat der Zuhörerschaft erklärt, dass nicht nur Insekten dunkle Nächte brauchen, sondern auch Menschen. Die exzessive Nutzung von Geräten, die hauptsächlich Licht mit einem hohen Blauanteil abstrahlen, also Computer, Smartphone und Fernsehen, führt zu einem Mangel an Melatonin, was wiederum Schlafstörungen und das Risiko für damit einhergehende gesundheitliche Probleme deutlich erhöht. Wir Menschen verbinden mit Licht ein gewisses Gefühl von Sicherheit, das Beleuchten von Gebäuden, Schaufenstern und teilweise ganzen Städten empfinden wir als modern. Das Problem hierbei ist das fehlende Bewusstsein der Menschen, dass die Nutzung von nicht benötigtem Licht auf Dauer sehr viel Negatives mit sich bringt. Ich bin am Ende dieser Veranstaltung mit neu gewonnenem Wissen nach Hause gegangen, was mir die Augen geöffnet hat. Seitdem fällt mir auf, wieviele Lichter unnötig leuchten, was mich immer wieder verärgert durch die „Dunkelheit“ laufen lässt.

Erste Einblicke in die Bio-Welt

Auch wenn ich generell recht nachhaltig lebe, muss ich zugeben, dass ich anfangs doch nicht ganz so viel vom Thema Bio verstand, als ich dachte. Deshalb habe ich gleich am Anfang Recherche dazu betrieben, um den Fachgesprächen meiner Kollegen und Kolleginnen besser folgen zu können. Hierbei ergab sich zusammengefasst folgendes: Die Grundvoraussetzungen für die Herstellung von Bio-Produkten ist eine gerechte Tierhaltung, das Verbot von Gentechnik und der Verzicht auf Pestizide und Zusatzstoffe. Biobauern dürfen sich zwar gegen Unkraut, Schädlinge und Pflanzenkrankheiten wehren, allerdings dürfen dazu keine chemisch-synthetisch hergestellten Pflanzenschutzmittel benutzt werden. Der ökologische Landbau ist wie eine Kreislaufwirtschaft zu verstehen. Das bedeutet, dass Bio-Betriebe aufgrund eigener Ressourcen in geschlossenen Kreisläufen wirtschaften sollen. Deswegen sind der Ackerbau und die Viehhaltung eng an einander gekoppelt: Auf den Äckern werden Pflanzen zum Verkauf und die benötigten Futterpflanzen für die Tiere angebaut. Die ökologische Landwirtschaft legt ebenso großen Wert auf die Verarbeitung der Produkte. Deshalb werden Bio-Lebensmittel größtenteils schonend verarbeitet. Das bedeutet, es werden möglichst wenig Zusatzstoffe eingesetzt und mithilfe von natürlichen Technologien werden Lebensmittel produziert, die so naturbelassen wie möglich sind.

Den Boden im Blick

Die Voraussetzung für gesunde Lebensmittel sind aber logischerweise gesunde Böden. Wie wertvoll nährstoffreiche und so gut wie unbehandelte Böden sind, durfte ich in Erfahrung bringen, weil ich mit Brunhard und Matthias zusammen an einem Positionspapier zu diesem Thema gearbeitet habe. Ich habe gelernt, wie Böden zusammengesetzt sind und, dass sie zahlreiche Funktionen erfüllen. Aufgrund der Partikelstruktur können chemische Elemente und Verbindungen gefiltert, neutralisiert oder neu gebunden werden. Dies gilt für Nährstoffe, aber auch für giftige und toxisch wirkende Substanzen und das bedeutet wiederum, dass Böden den Transport von Schadstoffen in unser Grundwasser verhindern. Sind die Böden intakt und gesund, wachsen darauf gesunde Pflanzen, welche die Gesundheit von Tieren und Menschen garantieren. Der Einsatz von Pestiziden und Fungiziden dient zwar der Tötung von Ungeziefer und Pflanzenkrankheiten, jedoch sterben dadurch auch nützliche Bodenorganismen ab, welche für einen dauerhaft fruchtbaren und gesunden Boden sorgen. Somit werden natürliche Kreisläufe gestört. Ebenso bei einer übermäßigen mechanischen Bodenbearbeitung, welche die im Boden enthaltenen Pilze schädigen, die eine wichtige Rolle bei der Nährstoffversorgung der Pflanzen spielen. Für eine nachhaltige Zukunft ist eine ganzheitliche (Bio-)Landwirtschaftspraxis erforderlich. Eine, die die Gesundheit der Agrarökosysteme fördert und verbessert. Eine, die sozial, ökologisch und ökonomisch nachhaltig ist. Nur durch einen sorgfältigen Umgang und richtiger Pflege unserer Böden können wir gewährleisten, dass wir weiterhin genug (Gutes) zu essen haben.

„Wir sind entkoppelt von dem Boden unter unseren Füßen. Wir müssen die Sehnsucht nach Gesundem wieder erwecken und wir müssen wieder in Balance mit der Natur kommen. Industrie und noch mehr Technik ist nicht die Lösung für die Zukunft.“ sagt Sarah Wiener Europaparlamentarierin, Köchin und Bio-Bäuerin an einer Online Veranstaltung zum Thema „Wie kann ein modernes und nachhaltiges Agrar- und Ernährungssystem gelingen?“. Während dieser Veranstaltung ist mir bewusst geworden, wieviel die Art der Ernährung eigentlich mit Politik, Ökonomie und dem Klimawandel zutun hat. Eine Ernährungswende muss geschehen, damit die Produktion von Lebensmitteln ökologisiert wird. Konkret bedeutet das, die Erzeugung von tierischen Produkten und der Verzehr davon muss um die Hälfte reduziert werden. Eine ganz fleischlose Ernährung ist dennoch keine erstrebenswerte Lösung. Damit unsere Grünflächen weiterhin gesund bleiben, sind wir auf Nutztiere wie Kühe angewiesen, womit es unumgänglich ist, dass eine geringe Menge an Fleisch anfällt. In Zukunft wird dennoch Gemüse in vielfältiger Form ein zentrales Element auf unserem Speiseplan sein. Ich kann es kaum erwarten, dass es zu einer (mehr oder weniger) ganzheitlichen Ernährungstransformation kommt, denn heutzutage ist das Bewusstsein von gesunder und nachhaltiger Ernährung so gespalten. Es gibt zwar glücklicherweise immer mehr Menschen, denen die Zukunft der Welt und Tierwohl am Herzen liegt, dennoch gibt es noch zu viele Menschen, denen es nicht einmal in den Sinn kommt, den Preis von Billigsalami zu hinterfragen. Und solange das so ist, müssen diejenigen, die eigentlich guten Gewissens gelegentlich zu tierischen Produkten im Kühlregal greifen dürften, da sie größtenteils schon verantwortungsbewusst einkaufen, für das nicht vorhandene Verantwortungsgefühl derer aufkommen, die die Ernsthaftigkeit der Situation nicht einsehen wollen. Meinem Chef, Alexander Beck, liegt der Begriff „Suffizienz“ besonders stark am Herzen. Sowohl in unserer Weihnachtspost, als auch an dieser Online-Veranstaltung, appellierte er an Leser bzw. Zuhörer: „Suffizienz bedeutet die Konzentration auf das Wesentliche“ Darüber müsse die Gesellschaft unbedingt aufgeklärt werden. „Wir müssen die materialzentrierten Glücksvorstellungen der Gesellschaft auflösen.“  und somit die Botschaft von Bio in die Welt tragen.

Verbandsarbeit live erleben

Um genau dieses Ziel zu erreichen, hat die AöL mit ihren Mitgliederunternehmen Ende letzten Jahres eine gemeinsame Kommunikationskampagne unter dem Hashtag #BioBeitrag gestartet. Darüber durfte ich in der BioPress, einem Fachmagazin, ausführlich berichten. Es handelt sich hierbei um immer wiederkehrende Social-Media-Aktionen, an denen die Mitglieder der AöL teilnehmen können. Ein Arbeitskreis hat hierfür zu verschiedensten Themen Textbausteine und Sharepics erarbeitet, welche auf Twitter, Facebook und Instagram gepostet werden können. Somit wird die gesamte Reichweite von 128 Bio-Unternehmen als Sprachrohr genutzt, um möglichst vielen Menschen Bio näher zu bringen, und somit die Welt ein Stück besser zu machen.

Ein großes Highlight während meines Praktikums war die AöL Mitgliederversammlung und die darauf folgende Tagung, welche normalerweise zwei Mal im Jahr stattfinden. Aufgrund der Pandemie gab es jedoch ein Jahr lang kein Zusammenkommen der Mitglieder und ich hatte großes Glück, dass ich die erste Mitgliederversammlung nach längerer Zeit miterleben durfte. Während der Vorbereitung konnte ich Isabell über die Schulter schauen und sie bei der Besichtigung der Veranstaltungsräumlichkeiten begleiten. Am lang ersehnten Tag der Mitgliederversammlung durfte ich mit zusammen Helga die Teilnehmer der Veranstaltung in Empfang nehmen, die mit Vorfreude auf die kommenden Stunden in Fulda ankamen. Die Themen, welche besprochen wurden, drehten sich um klimafreundliche Unternehmen, Wachstumsalternativen und um das Ziel, ein zukunftsfähiges und nachhaltiges Ernährungssystem zu schaffen und darum, ob das momentane rasante Wachstum der Bio-Branche auf den zweiten Blick überhaupt gut ist. Der Vortrag von Ronald van Marlen blieb allen Teilnehmenden der Mitgliederversammlung mit Sicherheit im Gedächtnis. Allen Respekt gebührte dem Niederländer bereits nach den ersten Sekunden schon, da er seinen Vortrag auf Deutsch hielt. Er sprach über die Themen Biowachstum, Vorteile bzw. Nachteile technologischer Beschleunigung und über die momentane Krise unseres Ernährungssystems. Auf seine direkte Art und Weise und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, riss besonders dieser Referent alle Zuhörer*innen in seinen Bann und machte ihnen klar, dass die Wertschätzung von Verbraucher*innen gegenüber Bio sinkt, da der Bio-Markt förmlich boomt und dadurch immer mehr neue Labels und Biomarken entstehen. An die Vertreter der Bio-Branche appellierte er eine Umprioisierung der eigenen Werte und eine grundlegende Veränderung der Wertschöpfungskette, damit man als Unternehmen so nah wie möglich an Rohstoffen, Menschen und Produkt dran ist.

Ich habe über drei Monate miterleben dürfen, dass Bio-Lebensmittelhersteller die Nachhaltigkeit am Herzen liegt und, wie sie, was das Thema angeht, alle Hebel in Bewegung setzen. Aber leider reicht die Kraft und der Wille „nur“ von Lebensmittelherstellern nicht aus, die Wichtigkeit und das Potenzial der Nachhaltigkeit in das Bewusstsein einer ganzen Gesellschaft und somit eines ganzen Landes zu rufen. Der entscheidende Unterschied zwischen Bio-Unternehmen und den großen Lebensmittelkonzernen und sonstigen Sektoren wie Politik ist, dass erstere gleichermaßen Wert auf Ökonomie, Soziales und Ökologie legen. Solange alle diese drei Komponenten äquivalent bleiben, ist der Weg für eine beglückende Zukunft geebnet. Ich wünsche mir für die nahe Zukunft sehr, dass in der Ökonomie und in der Politik begriffen wird, dass ein ganzheitlicher nachhaltiger Lebensstil erstrebenswert ist. Ich wünsche mir sehr, dass ökologisch hergestellte Produkte attraktiver gemacht werden. Sie sollen weiterhin mit dem Inhalt überzeugen, aber den Konsumenten nicht abschrecken bzw. in einen Gewissenskonflikt bringen, sobald diese nur einen Blick auf das Preisschild werfen. Denn alle Menschen sollten sich Bio-Qualität leisten können, um sich selbst, aber auch der Zukunft dieser Welt etwas Gutes zu tun.

Autorin: Lara Berezowski

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