Weniger Licht ist mehr! Das Problem der Lichtverschmutzung

Weniger Licht ist mehr! Das Problem der Lichtverschmutzung

Wann haben Sie zuletzt in den Himmel geschaut und die Sterne beobachtet? Ist es viel zu lange her? Oder haben sie es getan und festgestellt: so richtig viel sehe ich gar nicht? Sollte dem so sein, kann die Ursache dafür die zunehmende Lichtverschmutzung sein, die Biologen seit Jahren beobachten. Unser Mitgliedsunternehmen BIONADE hat dankenswerterweise bei einem Stakeholdermeeting im Herbst 2021 in Fulda auf diese Problematik aufmerksam gemacht und mit Wissenschaft, Verband und Praxis dazu diskutiert.

Vor knapp 4 Milliarden Jahren entwickelte sich erstes Leben auf der Erde und seit schätzungsweise 6 Millionen Jahren wird sie vom Menschen bewohnt. Seitdem Leben auf diesem Planeten existiert, passt sich alles Lebendige an seine ökologische Nische an, dies ist der fortlaufende Prozess der Evolution. Das erklärt auch, weshalb es tag- und nachtaktive Tiere und Pflanzen gibt. Bis vor ca. 100 Jahren gab es in der Tier- und Pflanzenwelt auch einen vom natürlichen Licht geregelten Ablauf der Tag- bzw. Nachtschicht, bis die Elektrizität erfunden wurde. Sobald es abends anfängt zu dämmern, erleuchten Laternen, Schaufenster, Kirchen, Firmenlogos, Gebäude und die Städte werden so hell erleuchtet, dass man die Sterne am Himmel kaum noch erkennen kann. Das Problem geht aber weit über diese Tatsache hinaus.

Ganze Ökosysteme leiden unter dem Phänomen

Es beginnt bereits bei den kleinen Lebewesen, welche das Licht des Mondes und der Sterne zur Orientierung nutzen. Sämtliche Insekten können aus bis zu 100 Metern Entfernung vom Licht angezogen werden, was dazu führt, dass Milliarden von ihnen in Deutschland durch Erschöpfung oder Hitze der Straßenlaternen sterben. Glühwürmchen produzieren ihr eigenes Licht für die Partnerfindung und in Regionen mit viel künstlichen Licht finden sie keinen Paarungspartner, da das Glühen kaum auffällt. Insektenarten sterben aus und u.a. zieht die Lichtverschmutzung weitreichende Konsequenzen für ganze Ökosysteme nach sich. Sämtliche Bäume und Pflanzen werden nicht nur durch Bienen, sondern auch von Nachtfaltern und Käfern bestäubt. Insekten und Pflanzen sind also gewissermaßen aufeinander angewiesen und so beeinflusst das Aussterben von Insektenarten die Störung von Ökosystemdienstleistungen, was wiederrum ein gestörtes Nahrungsnetz (auch für den Menschen) bedeutet. Außerdem wird beobachtet, dass Vögel in besonders beleuchteten Gebieten immer häufiger an einem geschwächten Immunsystem leiden und daher Krankheiten auch auf Menschen übertragen können.

Gestörter Tages- und Nacht-Rhythmus beim Menschen

Offenbar hat die Lichtverschmutzung großen Einfluss auf Tier und Umwelt. Aber macht das Licht auch etwas in direkter Linie mit uns Menschen selbst? Bei der Beantwortung dieser Frage spielt Melatonin, welches in der Epiphyse (einem Gehirnareal) eine große Rolle. Es dient dazu, uns auf den Schlaf vorzubereiten, uns abends müde zu machen und die Verdauung einzustellen. Es hat ebenfalls Einfluss auf das Hormon- und Immunsystem, die menschliche Fortpflanzung und das Wachstum. Es ist außerdem in der Lage Krebszellen, speziell Brustkrebszellen zu zerstören. Wird der Mensch viel von Licht mit einem hohen Blauanteil bestrahlt, sei es durch den Computer, das Smartphone oder den Fernseher, wird die Melatoninherstellung unterdrückt. Im Umkehrschluss bedeutet das einen Stressfaktor, der die richtige Vorbereitung auf den Schlaf verhindert und Schlafstörungen begünstigt. Schlafstörungen wiederrum können zu einem erhöhten Konsum von Schlaf- bzw. Aufputschmitteln, Depressionen und Suizid, Übergewicht und Diabetes, Herz- und Kreislauferkrankungen, Brust-, Prostata-, Darm- und Schilddrüsenkrebs führen. Zudem werden aktuell Schlafstörungen, welche auf einen geringen Melatoninhaushalt zurück zu führen sind, im Zusammenhang mit Demenz und Frühgeburten untersucht.

Weniger Licht ist mehr!

Dieses für den Menschen schädliche und von ihm selbst verursachte Problem ist in der Theorie glücklicherweise leicht zu beheben. Es gibt nämlich keine gesetzlich vorgeschriebene Verpflichtung zur Beleuchtung von Straßen, Plätzen, Wegen und Gebäuden. Als erstes gilt es, die Notwendigkeit, Intensität und Dauer jedes Beleuchtens zu überprüfen und dann auch nur so hell wie nötig beleuchten (nicht wie möglich!). Es empfiehlt sich ebenfalls, den Leuchtkörper nach unten zu richten, um unsichtbares Licht, welches nach oben abstrahlt, zu vermeiden. Sinnvoll ist es, den Blauanteil der jeweiligen Leuchtmittel zu überprüfen und gegebenenfalls zu reduzieren. Es gibt die Möglichkeit mithilfe von Bewegungsmeldern, Timern oder durch Dimmen dynamisch zu beleuchten, was ökologische und finanzielle Vorteile für eine moderne Gesellschaft mit sich bringt.

Menschen verbinden mit Licht ein gewisses Gefühl von Sicherheit und das Beleuchten von Kirchen, Hochhäusern und ganzen Städten empfinden wir als modern. Heutzutage gibt es an sehr wenigen Orten der Welt die natürliche Dunkelheit, also fast jeder Ort ist mittlerweile lichtverschmutzt. Der Zustand von völliger Dunkelheit ist etwas äußerst Wertvolles und es ist nicht unmöglich, diesen wieder über Regionen, Städte und Länder zu verbreiten. Zu Gunsten der Biodiversität und unserer Gesundheit lohnt es sich, Lichtverschmutzung auf ein Minimum zu reduzieren. Voraussetzung dafür ist das Bewusstsein für die Thematik und vor allem der Wille der Menschen! Wenn wir das beachten, wird auch das Sternegucken wieder zum besonderen und vor allem ganz natürlichen Vergnügen. +++

Autorin: Lara Berezowski

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